GEISTIGE IMPLIKATIONEN DER KI
TEIL 1: DIE REALITÄT DANKT AB

Wer aufhört, an Gott zu glauben,
der glaubt nicht an nichts, sondern an alles.
Gilbert Keith Chesterton
Dieser Tage startete WELT TV ein neues Magazin, das in Gänze von einer KI produziert und von einem Avatar moderiert wird. Wobei sich die Thematik dieser wöchentlich ausgestrahlten Sendung ausschließlich Zukunftstechnologien widmet, was in diesem Kontext allerdings auch nicht weiter verwunderlich ist.
Doch wozu eine solch sensationsgeile, von einer KI generierten Technikshow mit einem Experten-Avatar? Wäre denn gerade heute ein vom Menschen gestaltetes TV-Magazin über Zukunftsvisionen nicht wesentlich bedeutsamer und sinnvoller? Doch da allein schon das Wort „Zukunft“ viele Menschen heutzutage zusammenzucken lässt, weil diese den Glauben an deren verheißungsvolle Kraft verloren haben, haben sich auch die entsprechenden Visionen in Luft aufgelöst, weil sie in Zeiten wie diesen nicht mehr denkbar sind. War die Zukunft noch vor geraumer Zeit ein offener Raum voller Möglichkeiten, ist sie für viele heute nur mehr eine dunkle, hochaufragende Mauer, hinter der sich vermutlich nur Schmach und Schrecken verbergen.
Dabei kommt fatalerweise hinzu, dass der Homo sapiens, der mittlerweile ohnehin geistig mächtig abgebaut hat, kaum mehr in der Lage ist, angesichts all des Chaos um ihn herum an ein „Morgen“ zu denken, geschweige denn Perspektiven oder gar Zukunftsvisionen für solch ein „Morgen“ zu entwickeln. Stattdessen tritt der Zeitgenosse per se mehr oder weniger ratlos und subdepressiv auf der Stelle. Seine abgründige Angst der Zukunft gegenüber hat ihm jegliche Fantasie geraubt – jegliches intuitive Vorstellungsvermögen, wie es mit ihm und seiner Art hier auf diesem Globus künftig überhaupt noch weitergehen könnte. Der Mensch gebiert Unlust – er leidet unter den Bedingungen seines Lebens und will an „Morgen“ gar nicht mehr denken.
Etwa zur gleichen Zeit, in der Welt-TV sein wöchentliches KI-Zukunftsspektakel startete, veröffentlichte die Vogue in ihrer britischen August-Ausgabe eine betörende, den Leser auf einer doppelseitigen Anzeige zulächelnde Schönheit, die – von der Modemarke Guess in Auftrag gegeben – ausschließlich von einer KI-Maschine konzipiert und realisiert wurde. Und auch hier fragt man sich, warum? Herrscht mittlerweile solch ein Mangel an attraktiven und laufstegbegabten Models, dass sich die Agenturen jetzt gezwungen sehen, mit hypergestylten Avataren Werbung machen zu müssen? Oder sind Journalisten – wie im Fall von WELT-TV – mittlerweile derart verblödet, dass sie nicht mehr vor die Kameras gelassen werden, und nun aus purer Not durch KI-Maschinen ersetzt werden müssen?
DER MENSCH HAT PANISCHE ANGST, SICH UND SEINE WELT ZU VERLIEREN
Nichts von alledem! Denn hier wie dort hat man den Eindruck, der Mensch traue sich so recht nichts mehr zu – der Mut hätte ihn verlassen: Geplagt von ihn quälenden Minderwertigkeitsgefühlen seinen eigenen KI-Maschinen gegenüber, die ihn heftig herausfordern, weil sie schon jetzt vieles besser bewerkstelligen als er selbst. Kein Wunder also, wenn der Homo sapiens vermeint, sich mit diesen Maschinen in Konkurrenz zu befinden – in einer existentiellen Konkurrenz, die ihm fürchterliche Angst und Sorgen bereitet: Ist er sich doch keineswegs sicher, im Kampf gegen die KI-Maschinen, die, wie schon gesagt, immerhin seine eigenen Erfindungen sind, als Gewinner hervorzugehen. Ganz im Gegenteil: Denn gegenwärtig verhält er sich schon so, als hätte ihn die KÜNSTLICHE INTELLIGENZ persönlich längst überholt. Fehlt nur noch, dass er sich beleidigt in eine Ecke verzieht und schmollt!
Der Mensch hat Angst um sich und seine Welt, die sich in einem radikalen Umbruch befindet: Doch er lässt sich nicht lumpen und versucht mitzuhalten – verzweifelt und um jeden Preis! Von wegen Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Das war gestern, er ist doch nicht blöde! Heutzutage ist die Schönheit eine Frage des Marktes und der Sozialen Medien, die die entsprechenden Trends setzen und letztlich entscheiden, was in ist oder out, das weiß doch jeder! Dass damit letztlich auch das Phänomen der Schönheit zur bloßen Ware verkommen ist, mit der sich die TECH-GIGANTEN dank der von ihren KI-Maschinen generierten Fake-Bilder eine goldene Nase verdienen, kann ihm doch egal sein! Hauptsache das Girl ist geil und macht einen heiß! Und ob diese Bilder nun REAL oder FAKE sind, interessiert ihn eben so wenig. Damit sollen sich doch die Ethik-Kommissionen beschäftigen!

Deshalb überrascht es nicht, wenn jetzt auch Schönheitswettbewerbe für solch algorithmisch aufgepeppte Avatar-Jungfrauen veranstaltet werden. So wie bei traditionellen Miss-Wahlen eben auch. Na also, geht doch, denkt der User. Wer sagt‘s denn! Wer ist die Geilste im ganzen Land?
Und zu all dem verblödeten Getue des Menschen gesellt sich natürlich auch das übliche, dazu passende Dummgeschwätz in den Medien, die mit kastrierten Gedanken und verkommenem Deutsch versuchen, dem ganzen Aberwitz noch Schmackes zu verleihen und ihn Richtung Untergang weiter aufzuheizen. So wie beispielsweise im Folgenden, willkürlich Herausgegriffenen:
„In der digitalen Ära, in der künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Lebensbereiche durchdringt, bleibt auch die Welt der Schönheitswettbewerbe nicht unberührt. Der Miss-AI-Wettbewerb hebt dies auf eine neue Ebene, indem er nicht echte, sondern KI-generierte Models gegeneinander antreten lässt. Diese revolutionäre Veranstaltung, organisiert von dem Unternehmen Fanvue, bietet einen faszinierenden Einblick in die Zukunft der Schönheit und Technologie.
Der Miss-AI-Wettbewerb ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie KI die Welt der Schönheitswettbewerbe revolutioniert. Er zeigt, dass die Grenzen zwischen Realität und digitaler Illusion immer mehr verschwimmen. Während die ethischen und ästhetischen Fragen weiterhin diskutiert werden, bleibt eines klar: Die Zukunft der Schönheit liegt nicht nur in den Händen von Menschen, sondern auch in denen der Maschinen.“
DIE FATALE AHNUNGSLOSIGKEIT DES POSTZIVILISATORISCHEN MASSENCHARAKTERS
Derartige, frei im Raum flottierende Überzeugungen ohne jegliches Substrat offenbaren die abgrundtiefe Ahnungslosigkeit des Menschen nicht nur sich selbst gegenüber, sondern vor allem auch hinsichtlich seines Verhältnisses zu seinen Maschinen. Wobei der reichlich verquere Gedanke, „die Zukunft der Schönheit läge auch in den Händen von Maschinen, die zunehmende mentale Verwirrtheit des postzivilisatorischen Menschen offenbart. Hat dieser doch angesichts der sich auflösenden zivilisatorischen Strukturen ganz offenkundig immer größere Schwierigkeiten, die Dinge und Ereignisse in der Welt und um ihn herum adäquat einzuschätzen und zu verstehen. Denn parallel zum Niedergang der zivilisierten Welt verflachen, ja verkümmern auch dessen mentale Energien und Kapazitäten. Und schlimmer noch: Um überhaupt noch gesellschaftliche Vorgänge und Zusammenhänge nachvollziehen zu können und zu begreifen, zieht er sich mehr und mehr in seinen eigenen privaten Vorstellungskosmos zurück, der ihm mit dessen engbegrenzten Repertoire aus angstbesetzten Vorurteilsbausteinen und äußerst rigiden Moralklischees wenigstens die fatale Illusion vermittelt, den „dunklen“ Sinn allen Geschehens endlich zu verstehen.
Und da die Frage nach der Realität zur Privatsicht auf die Dinge verkommen ist, und die Gefühle zu zwanghaft- gestanzten Schablonen, ist der Blick auf die Wirklichkeit unausweichlich zum blinden Blick mutiert. Wie war das gerade noch gleich? „Der Miss-AI-Wettbewerb ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie KI die Welt der Schönheitswettbewerbe revolutioniert.“ Wie wunderbar: Auf diese Revolution hat die Welt gewartet! Sie, die Welt, in welcher ansonsten kein Widerstand mehr geduldet wird, und „die Grenzen zwischen Realität und digitaler Illusion verschwimmen …“
Wenigstens in dieser Hinsicht beschreibt diese unsägliche Kolportage, allerdings mehr ungewollt, das Phänomen des sich auflösenden Realitätsbegriffs, der demgemäß mehr und mehr in krude, parapsychotische Meinungs- und Gesinnungsfragmente zerfällt und damit seine, die Gesellschaft einende Verbindlichkeit verliert. Eine gesellschaftliche Wirklichkeit, der die Sozialen Netzwerke gegenwärtig den Gnadenschuss verpassen: Fake und Fakt, authentisch und artifiziell, virtuell und real – dieses zwielichtige, abstruse kognitive Gemisch aus Willkür und Berechnung offenbart nicht nur den verkommenen geistigen Zustand der völlig orientierungslos dahindriftenden Gesellschaften, in denen wirklich nichts mehr zählt, sondern es verweist darüber hinaus auch auf die wahren Player der Macht, die sich in diesen Tagen einerseits in Gestalt der globalen Tech-Giganten und deren KI-Maschinen, und andererseits in jener einer global um sich greifenden autoritären und diktatorischen Politik anschicken, sich die Welt im gemeinsamem Schultertschluss untertan zu machen. Globale Player, die sich mit der dümmlichen Weltflucht der Leute, die verzweifelt nach Führung verlangen, dumm und dämlich verdienen. Eine Höllensymbiose: Während die Tech-Giganten für die geistige Entmündigung der Menschen sorgen, kümmern sich die Autokraten um die physische Unterwerfung derselben.
DER HOMO SAPIENS – DAS OPFER SEINER EIGENEN TECHNOLOGIEN
Der Mensch ist gründlich vom Weg abgekommen. Und dabei ist er auch zum Opfer seiner eigenen Technologien geworden. Hatte er vor ca. 250 Jahren mit der Dampfmaschine und dem Manchester-Kapitalismus, der ja ausschließlich auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas setzte, damit begonnen, mit der daraus resultierenden Klimaveränderung seine eigenen physikalischen Lebensgrundlagen zu vernichten, so ist er gegenwärtig im Begriff, sich mit der Technologie, die er nassforsch KÜNSTLICHE INTELLIGENZ nennt, geistig und emotional zu ruinieren. Ein wirklich erschreckender anthropologischer Befund. Denn er zeigt, dass sich der Mensch auch ohne jegliche politische Unterdrückung mittlerweile schon von ganz allein zugrunde richtet – aus freiem Willen. So, als hätte Sigmund Freud dem Menschen zu Recht einen Todestrieb (Thanatos) unterstellt, der sich in Destruktivität, Aggression, Hass, Selbsthass und selbstzerstörerischem Verhalten äußere. (Jenseits des Lustprinzips, 1920)
In diesem psychodynamischen Sinne ist die Entwicklung und Geschichte der kapitalistischen Ökonomie hinlänglich dokumentiert und analysiert. Die Künstliche Intelligenz hingegen nicht – dafür ist es ja wohl auch noch zu früh. Und dennoch verwundert es, dass die psychodynamische Dimension dieser Technologie immer noch nicht adäquat verstanden wird, obwohl die Ideen, die geistigen und mentalen Wurzeln, die dieser zugrundliegen, viel weiter in die menschliche Geschichte zurückreichen als die Anfänge der kapitalistischen Ökonomie vor 250 Jahren. Im Prinzip sind die mentalen Antriebe und Fantasien, die letztlich zur Entwicklung und Etablierung der KI führten, so alt wie der Mensch selbst. Insofern haben diese psychischen Prozesse weniger mit der Geschichte der Maschinen zu tun, als vielmehr mit einer ganz spezifischen Eigenart des Homo sapiens – einer Wesensart, die sich – von heute aus betrachtet – künftig zu dessen Schicksalsfrage entwickeln könnte: Wer gewinnt, die Maschine oder der Mensch?
Glücklicherweise gibt es jetzt bereits KI-BOTS, die dem völlig verunsicherten und tief ratlosen Zeitgenossen rund um die Uhr ein offenes Ohr leihen und ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wohlwollende Coaches, denen bereits überraschend viele User aus ganz persönlichen, ja sogar intimsten Gründen ratsuchend die Bude einrennen, weil sie sonst niemanden haben, dem sie sich anvertrauen können. Oder wollen: Eine Entwicklung mit wohl eindeutiger Tendenz – die Maschine wird gewinnen. Und dies zuletzt auch deshalb, weil sich viele Zeitgenossen bereits wie Maschinen verhalten.
ENDE TEIL 1


























































































































































