AUS ABSURDEM WIRD NOCH LANGE KEIN SCHUH
Ob es nun darum geht, Tomatensuppe oder Kartoffelbrei auf ein wertvolles Gemälde von Claude Monet zu schütten, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, oder darum, als Abgeordneter im Britischen Parlament zu sitzen und sich von der humanoiden Roboterdame Ai-Da eine Lektion erteilen zu lassen, indem diese ihm freimütig erklärt, dass sie zwar nicht lebe, aber dennoch Kunst erschaffen könne, oder aber darum, einem Mannequin anlässlich irgendeiner Modenschau der Haute Couture auf dem Laufsteg ein Stoffkleid auf den nackten Körper zu sprühen, um eine mögliche Zukunft aufzuzeigen, wie der Erfinder seinem staunendem Publikum mitteilt – all diesen Ereignissen ist eines gemeinsam: Sie wirken derart unglaubwürdig, ja absurd, dass ich, als ich zum ersten Mal von diesem Humbug lese, sofort der Überzeugung bin, dass sich da jemand im Netz einen flauen Scherz erlaubt und mich offensichtlich für dumm verkaufen will.
Drei Pseudostorys, dreimal Fake! – Dreist frisierte Geschichten, die nicht von Geschehenem berichten, sondern nur so tun. Und das zumeist, um den Leuten Wahrheiten vorzugaukeln und diese ideologisch auf ihre Seite zu ziehen. Mit neuesten Informationen über das die Welt beherrschende Regime der Eliten und Superreichen zum Beispiel. Eine korrupte und hinterhältige Bande, die die Menschheit dezimieren, und den Rest mithilfe von Chips willenlos und willfährig machen wolle. Wie gerade jetzt bei der Impfung gegen COVID-19, mithilfe derer die Chips in die Hirne der Nichtsahnenden gelangten.
Doch aus dieser Ecke können die Storys nicht kommen, das ist schnell klar. Wer sonst aber könnte sich hinter solch dämlichen Tomatensuppen- oder Kartoffelbrei-Geschichten verstecken, wer sich derart altkluge Roboterkünstlerinnen oder zukunftsgeile Sprühkleidererfinder ausdenken?
Nun, im ersten Fall vielleicht irgendwelche erzreaktionären Klimaleugner, die die Jugendlichen von heute aufgrund ihrer impertinenten Dekadenz ohnehin hassen, diesen aber jetzt auch noch bösartige Ignoranz unterstellen wollen, da sie wichtigtuerisch und pressegeil gegen Windmühlen ankämpften, in Wahrheit aber die eigentlichen Brutalos der Gesellschaft wären, die keine Werte mehr besäßen, und jetzt aus lauter Langweile auch noch Kartoffelbrei auf die großen Meisterwerke der Kunstgeschichte werfen würden – nur um sich einen Sport daraus zu machen. Diesen finsteren Gedanken werden diese eingefleischten Klimaleugner wohl nachhängen, denn sicher gibt es unter diesen auch etliche Dart-Fanatiker, die beim Kartoffelbreiwerfen sofort an Sport und ihren Pfeil denken.
Doch während ich so nachdenke, fällt mir auch Damien Hirst als Urheber dieser Kartoffelbreigeschichte ein, dessen Kunst-Aktionen mittlerweile ja auch ans Absurde grenzen. So absurd wie die ganze Monet-Story mit den angeblichen Klimaschützern eben. Mit einem geschätzten Vermögen von einer Milliarde US-Dollar gilt der Brite als reichster Künstler der Welt, der neulich irrsinnigerweise einen Teil seiner eigenen Kunstwerke im Wert von über zehn Millionen Dollar in seiner Londoner Galerie zerstörte. Allerdings nicht mithilfe von Kartoffelbrei, sondern indem er diese verbrannte – 5.000 Papierarbeiten pünktlich zur Kunstmesse Frieze. Wie clever! Denn für jede dieser vernichteten Arbeiten schuf der Superstar gewiefter Weise korrespondierende NFT-Tokens – also rein digitale Kunstwerke. Eine Aktion, die dieser „lediglich eine Transformation vom physischen zum NFT-Kunstwerk“, nannte, und dafür wieder einmal eine Menge Knete einheimste.
In diesem eiskalt-berechnenden Vorgehen zeigt sich erneut der ausgefuchste Charakter dieses sich perfekt verkaufenden Künstlers, der ja schon einen echten Tigerhai in Formaldehyd einlegte und damit weltberühmt wurde. Jetzt aber hat Hirst vermutlich noch einen draufgesetzt, indem er an seiner statt heimlich angeheuerte Jugendliche Meisterwerke der Kunstgeschichte zerstören ließ. Natürlich nur versuchsweise und mithilfe von Kartoffelbrei – die Jugend muss ja noch üben. Derart hinterhältig wollte der Brite vermutlich demonstrieren, wie vergänglich und hinfällig die körperliche Kunst doch sei. Ganz im Gegenteil zu seinen eigenen virtuellen NFT-Bildern, die es natürlich nur im Internet gibt. Dies aber ebenso nur als Unikate, schließlich sind die Werke von Hirst ebenso einzigartig wie die seiner berühmten Vorgänger, nun aber aufgrund der Blockchain-Technologie sogar mit Echtheitszertifikaten versehen. Und im Smartphone jetzt auch nicht mehr mit Kartoffelbrei zu bewerfen, könnte man ergänzen.
Und da wir schon gerade bei der Kunst sind: Unter dem Rock der Roboterdame Ai-Da stecken sicher auch irgendwelche Künstler. Jedoch keine Großkaliber wie Damien Hirst, sondern eher solche vom anderen Ende des künstlerisch-existentiellen Spektrums: Also jene Künstler, die in prekären Verhältnissen arbeiten und leben, und angesichts all der großartigen KI-Kunst um sie herum mittlerweile nasse Füße bekommen haben, da sie die furchtbare Angst quält, sich morgen bereits im Armenhaus wiederzufinden. Folglich sehen sich diese Künstler jetzt wahrscheinlich dazu gezwungen, zu wirklich drastischen Mitteln zu greifen und sich notgedrungen eine perfide Roboterdame ausdenken zu müssen, die im Britischen Parlament nassforsch zur Revolution gegen die menschliche Kunst aufruft. Die Abgeordneten sollten aufpassen, sonst ist es bald um die wahre Kunst geschehen. Helft der menschlichen Kunst, wenn sie euch Menschen schon nicht hilft! Das könnte die Parole dieser missachteten Künstler sein, die sich hinter Ai Da in Deckung halten.
Doch halt! Kaum, dass ich nach Hinweisen über die Echtheit dieser bescheuerten Infos googele, verfliegen all meine Mutmaßungen mit einem Mal, entsprechen die drei drögen Geschichten doch ganz offenkundig der Wahrheit – das Netz schwappt über vor lauter Videos und Kommentaren zu „Kartoffelbrei auf Meistergemälde“, „Roboterkünstlerin führt Britisches Parlament vor“ oder „Ab morgen entscheidet die Spraydose, was Sie zum Cocktail tragen, meine Damen“.
Und dennoch: Auch wenn all dieser Mischmasch auf einmal wahr sein soll, gespenstisch bleibt es schon, dass sich das alles so zugetragen hat. Zeigt sich daran doch, wohin uns der Zeitgeist gebracht hat. Da nützt es auch nichts, wenn man einen derartigen Irrsinn zunächst für Fake gehalten hat: Heutzutage kann alles wahr sein und wiederum auch nichts – die Köpfe laufen heiß, nicht nur das Klima. Die geistige Verwirrung gehört eben auch zur Zeitenwende.
Nehmen wir da beispielsweise allein nur die Attacke gegen das Landschaftsgemälde Die Getreideschober von Claude Monet im Museum Barberini in Potsdam, das aufgrund einer eitlen Attacke von Klimajugendlichen hinter klebrigen Kartoffelbrei verschwand, und offenkundig dafür herhalten musste, dass sich die Natur in einen Moloch zu verwandeln droht. Dabei verwechselten diese Jugendlichen jedoch dummerweise ihr Gegenüber, sind es doch nicht Bilder, die den Klimawandel verursachen, sondern Menschen. Und angesichts der hirnrissigen Tautologie, ein Naturbild gegen die Natur ausspielen zu wollen, handelte es sich bei dieser missratenen Aktion doch eher um einen Rohrkrepierer und weniger um einen Coup. Wobei dieses unschuldige Bild die Natur zu allem Überfluss auch noch in ihrer einstigen Ruhe und Schönheit festhält, und mit dem gegenwärtigen Klimawandel nicht das Geringste zu tun hat. Folglich sollten diese Verwirrten doch besser einmal daran denken, sich beim nächsten Mal ein Gemälde auszusuchen, dessen Motiv die Ursachen des Klimawandels wenigstens ansatzweise zum Thema hat.
Das aber ist leichter gesagt als getan. Denn Meistergemälde mit Motiven von Industrieanlagen zum Beispiel, die ja immerhin auch für das ganze Klimadesaster mitverantwortlich sind, sind äußerst rar, das muss man den Verwirrten leider zugutehalten. So auf die Schnelle fällt mir da lediglich Das Eisenwalzwerk von Adolph von Menzel aus dem Jahre 1875 ein, mit dem dieser Maler auf den ungehemmten technischen Fortschritt während der industriellen Revolution aufmerksam machen wollte. Doch Kartoffelbrei auf das Eisenwalzwerk wäre zu unspektakulär, denn Menzel lockt heutzutage keinen mehr hinterm Ofen hervor. Den kennt ja gar keiner mehr!
Was die Klimafetischisten da aber zum Besten geben, um ihre Wachrüttelaktionen zu erklären, erschreckt mich dann doch, scheinen diese Kleinkleinstrategen doch offensichtlich nur mehr altbackene Klischees im Kopf zu haben, weil sie sich im Verlauf der schon länger währenden Pandemie der geistigen Denkschablonen wohl auch schwer infiziert haben. So erinnert deren Rechtfertigungspallaver hochnotpeinlich an die Worte einer ältlichen Grundschulkunsterzieherin, die mit ihren Schülern einen Ausflug ins Museum Barberini in Potsdam macht, um diese vor dem Monet hinter sich zu versammeln, der dort ja bis vor Kurzem noch ausgestellt war, jetzt aber nur mehr als ein ausgebleichtes leeres Rechteck an der Wand, mit etlichen Kartoffelbreiflecken darum herum, an seine nun ramponierte Existenz erinnert: „Monet liebte die Natur und hielt ihre einzigartige und fragile Schönheit in seinen Werken fest“, erklärt nicht die Lehrerin, sondern eine Sprecherin der Letzten Generation, wie sich die Klimajugendlichen selbst nennen. „Wie kann es sein, dass so viele mehr Angst davor haben, dass eines dieser Abbilder der Wirklichkeit Schaden nimmt, als vor der Zerstörung unserer Welt selbst, deren Zauber Monet so sehr bewunderte?" So verschroben könnte das alles aber auch die Lehrerin zu ihren gelangweilten Schülern gesagt haben, denen dieser Kunstkram wahrscheinlich ziemlich auf den Senkel geht, und der Heuschober, von dem da gerade die Rede ist, erst recht. Bei Monet werden einige Schüler vielleicht einen Augenblick lang aufhorchen, weil sie Money verstanden haben, und sofort an einen Banker denken.
Offenkundig arbeitet sich die Letzte Generation an Dingen ab, die im Leben der meisten Menschen ohnehin keine Rolle mehr spielen. Und dies mit einer Intelligenz, die ihren Namen nicht mehr verdient. Kunst war gestern, heute zählt TikTok. Würde die Letzte Generation TikTok hacken, könnte diese womöglich die erste sein, die am richtigen Hebel ansetzt, weil sie die Öffentlichkeit in ihrem Innersten trifft. Mit der Kreativität aber ist das heutzutage so eine Sache - zwar ist man vernetzt und ballert sich voll, doch die Fantasie bleibt auf der Strecke.
Vermutlich kommen viele der Kinder und Jugendlichen der Letzten Generation eher aus wohlhabenden Verhältnissen. Aus betuchten Familien, in deren noblen Häusern die Wohnzimmerwände vermutlich das eine oder andere Monet-Bild ziert, oder zumindest eine perfekt gedruckte Monet-Imitation, die richtig Eindruck schindet, weil die Gäste glauben, ein einzigartiges Original vor sich zu haben. Da die Letzte Generation in ihren Eltern aber ohnehin die wahren Schuldigen am Klimawandel zu erkennen glauben, muss nun eben auch mal irgendein Monet-Gemälde im Museum für die Klimaschande herhalten.
„Wir wollen, dass sich die Politiker:innen ein bisschen fürchten!“, outet sich die Letzte Generation auf peinliche Art und Weise. Man sollte diese beim Namen nennen, dann wäre der fatale Spuk ja irgendwann vorbei.