DEUTSCHLAND KRIEGT DIE KURVE NICHT
Teil 2: DER MENSCH BRAUCHT EINE EVOLUTIONÄRE PAUSE

Beinahe täglich bauen wir menschlich ab.
Nava Ebrahimi
Doch zurück zum Supermarkt. Denn neben der Menge der im Geiste Verarmten und Junkfood-Süchtigen gibt es zahlreiche Menschen in Deutschland, die existentiell auf Schnäppchen aus dem Discounter angewiesen sind: Und das sind die wirklich Armen im Lande, zu denen mittler-weile jeder 6. Bundesbürger gehört – das sind rund 13 Millionen Menschen. Erschreckenderweise liegt die Kinder-armut bei 14 %, was bedeutet, dass jedes 6. Kind von Armut betroffen ist – also insgesamt 2,1 Millionen Kinder. Erfreulicherweise ist die Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen leicht rückläufig: 2022 hatte sie bei 15,0 % gelegen. Betroffen sind vor allem Kinder und Jugendliche von Eltern mit niedrigerem Bildungsabschluss und solche von alleinerziehenden Müttern.
Und alle diese Menschen könnten ohne jene Schnäppchen aus dem Discounter finanziell kaum über die Runden kommen. Demzufolge muss die Sozialmedizin auch nicht lange die Stirn runzeln, warum unter den Armen im Lande die Zivilisationskrankheiten sich derart häufen? Wer arm ist in Deutschland ist eben auch signifikant häufiger krank, als die Wohlhabenden in der Bevölkerung. Zudem hat dieser im Vergleich zu anderen in den europäischen Ländern kaum eine Chance, sich im Verlauf seines Lebens aus der Armutsfalle zu befreien und sozial aufzusteigen.
EINFACH GEIL, DER GEILE KONSUMISMUS
Viele Zeitgenossen wollen jedoch partout nicht wahrhaben, dass hochverarbeitete Nahrungsmittel auf Dauer tödlich sein können, und schieben diese Tatsache wider besseres Wissen lieber beiseite. Denn viele können auf den supergeilen Geschmack dieser Krankmacher einfach nicht mehr verzichten. Vor allem auch deshalb, weil diese Zungenpapillen-Booster ihre müden, auf den Hund gekommenen Geschmacksnerven, die aufgrund all des künstlichen Zeugs, dass die Leute mittlerweile täglich in sich hineinstopfen, schon ziemlich ramponiert und verkümmert sind, mit jedem neuen Glutamat-Bissen jedoch augenblicklich wieder so richtig in Schwung gebracht werden können – wenn auch nur für Augenblicke. Ein fataler Kreislauf der Abhängigkeit und Degeneration. Und dennoch: all die tollen Geschmacksverstärker und fantastischen Aromen, die aberwitzigen, für eine irre Optik sorgenden Farbstoffe, und nicht zuletzt auch die genialen Emulgatoren, enttäuschen nie, weil sie auf so wunderbare Art und Weise zusammenwirken, sodass jeder Bissen wie ein cremeartiges Mirakel im Mund zergeht ... wow!
Also rüber in den Discounter zu Kartoffelchips, Tiefkühlpizza, Eiscreme, Limonade, Eistee, Frühstücksflocken, Fruchtjoghurt und jeder Menge toller Fertiggerichte: Von Tütensuppen wie von Oma über knusprige Fischstäbchen, natürlich fangfrisch aus der Nordsee, zu Pommes aller Arten, gebratenen Nudeln, Meat- oder Cheeseburger, paniertem Schweineschnitzel, Rindsroulade oder Königsberger Klopse nach Originalrezepten, bis hin zu asiatischen Spezialitäten wie Huhn süßsauer von Chefkoch Huang Chi persönlich, und, nicht zu vergessen, natürlich auch zu allen Arten von Süßem, Salzigem und Saurem … zum Lutschen, Schlürfen oder Knabbern.
Diese das Leben schädigende „Lebensmittel“, die in gigantischen Maschinen produziert werden, haben mit herkömmlicher Nahrung nicht das Geringste mehr zu tun: Zerlegen diese Maschinen doch erst einmal die Rohstoffe in ihre Bestandteile, bevor sie diese dann – natürlich chemisch versetzt – neu zusammenmischen, hocherhitzen und sprühtrocknen, bis das Ganze schließlich aromatisiert und hyperschmackhaft aufbereitet wird, so die Werbestrategen. Deshalb bekommen diese „Gerichte“ auch jede Menge Salz und Zucker verpasst: Gekrönt von Chemiecocktails, die vorher in Laboren ausgetüftelt werden und dann beispielsweise nach Pumpkin Spice schmecken sollen: Das ist „eine Gewürzmischung, die süße Bourbon Vanille, die würzige Schärfe des Ingwers und die erdige Wärme des Zimts zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügt, was zu einer ungeahnten Geschmackstiefe führt, die Sie so noch nie erlebt haben“, haucht die Werbung. Und demjenigen, der heutzutage noch echte Erdbeeren in einem Erdbeerjoghurt erwartet, ist nicht mehr zu helfen. Mittlerweile konsumieren 70 Prozent der Deutschen regelmäßig derartig künstlich Zusammengemanschtes. 40 Prozent sogar fast täglich. Wobei der Irrsinn des Ganzen in der Tatsache gipfelt, dass die Mehrheit der Befragten offenkundig genau weiß, dass unverarbeitete Lebensmittel viel gesünder sind als das „Gift“, dass sie da alltäglich in sich hineinschaufeln. (California Almonds 2023).
Insoweit machen diese Fastfood-Adepten die Rechnung beileibe nicht ohne den Wirt, denn sie wissen ganz genau, was ihnen und ihren Kindern bei all dem künstlichen Fraß, den sie täglich in sich hineinstopfen, später einmal blühen könnte. So ist jedes sechste Kind mittlerweile fettleibig. 2050 könnten es Schätzungen zufolge sogar schon ein Drittel aller Kinder sein. Dabei hat sich die Zahl der zuckerkranken Kinder, die vor ihrem 19. Lebensjahr an „Altersdiabetes“ erkranken, in Deutschland seit 2002 verdreifacht. Und für Erwachsene gilt, dass gegenwärtig bereits jeder Vierte unter einer risikoreichen Adipositas leidet, deren Spätfolgen bekanntlich zu Herzleiden, Bluthochdruck, Schlaganfällen und Krebs führen können, wobei sich einer Studie der Universität Düsseldorf zufolge die Kosten aufgrund von Adipositas-Erkrankungen mittlerweile auf 63 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Alarmierende Zahlen!
JUNKFOOD – SUIZID AUF RATEN
Viele der bundesdeutschen Bürger befinden sich somit fest in den Händen einer das menschliche Leben in seiner Unversehrtheit verachtenden Lebensmittelindustrie. Andere europäische Länder sind da längst weiter und reagieren auf diese katastrophale Situation: So gibt es in Großbritannien wie in fünfzig anderen Ländern der Erde seit 2018 eine Zuckersteuer auf süße Getränke. Und in Dänemark gilt schon seit 2008 das Verbot von industriell gehärteten Transfetten, die u.a. in Fast Food oder Fertigbackwaren verarbeitet werden und nachweislich die Blutgefäße angreifen und schädigen.
Doch in Deutschland ist man von solchen Maßnahmen weit entfernt. Hier scheut sich die Politik davor, mit den Leuten in Konflikt zu geraten, und setzt deshalb lieber auf Freiwilligkeit, statt auf Gesetze oder klare Leitlinien. Schließlich will man es sich mit den Leuten nicht verscherzen, indem man diese unnötig fordert oder gar gängelt. Doch welch ein Irrtum! Denn die Leute werden von allen Seiten gegängelt – in diesem konkreten Fall eben von den Agenten der Konsumindustrie und deren omnipräsenten Werbestrategen, die die Leute als Konsumenten anpeilen, sie schonungslos an der Nase herumführen und perfide bei deren zahlreichen Schwachstellen packen, um Absatz zu machen und Kasse. Zurückbleibt der geprellte Junkfood-Fan … fettleibig, aufgedunsen, ohne Hals und kurzatmig mit Watschelgang, damit die Oberschenkel nicht zusammenklatschen.
Wenn ein Teil der Bevölkerung derart unbesonnen, ja unkontrolliert und irrational auf das politische Angebot der Freiwilligkeit reagiert, dann zeigt sich überdeutlich, dass es mit der vielbeschworenen Mündigkeit des deutschen Bürgers nicht mehr allzu weit her ist. Manchmal hat man dieser Tage sogar den Eindruck, diesem unter die Arme greifen zu müssen, um ihn an der Hand zu nehmen wie ein Kind, um ihn wenigstens vor dem Gröbsten zu bewahren.
DER LETZTE DEN DEUTSCHEN VERBLIEBENE GLAUBE
Mittlerweile ist von der offenen, am Gemeinwohl interessierten Mentalität des vergesellschafteten Bürgers – wie zum Beispiel zu Zeiten Willy Brandts – nicht mehr viel übriggeblieben. Von dessen einstigem politischen Bewusstsein ganz zu schweigen: Es hat sich im Verlauf der letzten Dekaden in Luft aufgelöst. Stattdessen dominiert heutzuta-ge eine alles überlagernde Konsumideologie die Köpfe, die sich in der bundesdeutschen Nachkriegszeit mit dem soge-nannten Wirtschaftswunder als das probateste Mittel erwies, sich die Gräuel des Naziregimes seelisch vom Leibe zu halten. Doch seitdem sind in den Köpfen die meisten Ideologien verflogen – bis auf den blinden Konsumismus und ultrarechten Radikalismus. Das sogenannte woke Denken ist noch nicht mal eine Ideologie, ist es doch nichts anderes, als eine mechanisierte, spießige und verarmte Denkweise nurmehr in fragmentierten und hohlen Schablonen.
Und die politische Korrektheit, dessen schmalbrüstige Schwester, die die Dinge nach imbezilen Kriterien lediglich in Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse unterteilt – so als wolle sich diese Magersüchtige eine infantile Baukastenwelt erschaffen, die ihr das Gefühl vermitteln soll, politisch engagiert zu sein, wenn sie denn diesen breiigen Stuss in die Öffentlichkeit trägt. Ein hirnamputiertes Denken, das den Ruf nach einem Böllerverbot mit gesellschaftlichem Engagement verwechselt. Deutschland – ein Land des sich um sich selbst drehenden Gelabers.
Absoluter Stillstand – ein gesellschaftlicher Skandal sondergleichen. Und ein vehementes Zeichen der allgemeinen Auflösung der gesellschaftlichen Sinnstrukturen. Denn neben dem braunen Denken hat mit dem Konsumismus lediglich eine veritable Knallchargenideologie überlebt, die immer noch viele glauben macht, alles und jedes konsumieren und verbrauchen zu können, sofern man dessen nur irgendwie habhaft werden kann, was dank des Internets für jeden heutzutage ein Klacks geworden ist. Eine in den Hirnen festklemmende Überzeugung, die mittlerweile alle anderen politischen oder gesellschaftlichen Überzeugungen hinter sich gelassen hat. So ist der Konsum tatsächlich die letzte sozial-energetische Instanz, die die Gesellschaft – wenn auch notdürftig – noch zusammenzuhalten vermag. Und damit ist aus einer mit einem wachen politischen Bewusstsein ausgestatteten Gesellschaft eine nihilistische Zweckgemeinschaft geworden. Durchsetzt von einer letztlich völlig inhaltslosen, alle Werte vernichtenden Ideologie, die den besinnungslosen, möglichst rauschhaften Ver-brauch aller irdischen Ressourcen propagiert.
Der Konsumismus als Weg zum Glück ist der letzte Glaube, der den Deutschen geblieben zu sein scheint. Und der soll sie vor der endgültigen Sinnenentleerung bewahren, die um sich greifend allüberall wütet. Eine Entwicklung, die der demokratischen Staatsform den Todesstoß versetzen wird, wenn nicht doch noch ein Wunder geschieht. Das Modell China grinst da schon um die Ecke, wo es den Menschen offenbar völlig gleichgültig ist, ob sie rund um die Uhr überwacht und kontrolliert werden, solange sie nur „frei“ und „ungehindert“ konsumieren können; Shoppen um jeden Preis – ob nun on- oder offline. Auf den Straßen und in den Gebäuden natürlich mit Gesichtserkennung, denn der Staatsapparat will natürlich verhindern, dass bei all dem Konsum nicht irgendjemand unbedachterweise über die Stränge schlägt.
Trotzdem wäre es fatal, anzunehmen, die Menschen seien verrückt geworden. Ob sie noch bei Sinnen sind, ist eine ganz andere Frage? In jedem Fall aber sind sie vom Weg Abgekommene, ohne jegliche wirkliche Perspektive und deshalb orientierungslos. Zudem sind sie geistig Verarmte, die allmählich ihre vitalen kognitiven Qualitäten und Fähigkeiten verlieren und ihre Selbstkontrolle, was zu deren zunehmenden Verrohung führt und zur progredienten Verwirrung. Darüber hinaus wird der Mensch aufgrund seiner mentalen Verarmung immer manipulierbarer – was andere wie Influencer, Werbemanager oder Autokraten bestens zu nutzen wissen. Der Mensch scheint der Welt ausgeliefert zu sein, er braucht Hilfe: Doch von allen Seiten wird diese Schwäche wiederum von anderen nur ausgenutzt. Seine soziale Intelligenz ist am Nullpunkt angekommen. Doch nur gemeinsam ist er stark. Keine guten Aussichten also – für den Menschen.
DENK ICH AN DEUTSCHLAND IN DER NACHT …
Aus dem einst so zivilisierten Bürger ist ein postzivilisierter Charakter – ein Bürgerdarsteller geworden, der aufgrund des Kollapses der gesellschaftlichen Werte und Verkehrsformen um ihn herum seinen existentiellen Halt verloren hat, und rat- und hilflos zwangsläufig auf sich selbst zurückfällt. Doch auch in seinem Inneren ist es finster und leer geworden, sodass er auch dort keinen Sinn, keine Perspektive für sein Leben mehr finden kann. Folglich schwimmt der Bürgerdarsteller wie ein Fettauge auf der Gesellschaftssuppe, den widersinnigen Strömungen und gemeinen Strudeln einer sich auflösenden Gesellschaft ausgeliefert. Eine Existenz ohne Mumm, die sich rasch überfordert fühlt, schnell reizbar ist und andauernd erschöpft. Begleitet von chronischen Rückenschmerzen, Schwindelattacken oder Darmbeschwerden. Unfähig, sich noch mit dem ohnehin schwindenden gesellschaftlichen Gemeinsinn identifizieren zu können. Und schon derart menschlich verroht, dass bereits Jugendliche bei einem relativ banalen Streit den Tod des Gegenübers mit in Kauf nehmen – konfliktunfähig und dünnhäutig. Geistig Gestrandete, die nicht nur in ihrem Innenraum, sondern auch im sinnentleerten Außenraum der gesellschaftlichen Öffentlichkeit nichts mehr anderes zu entdecken vermögen, als die finstere Fratze der Öde und Leere.
Der Bürgerdarsteller ist geistig auf das Nullniveau eines stinknormalen Verbrauchers und engstirnigen Users herabgesunken. Einer, der mehr oder minder offen auf die Gesellschaft pfeift, sich aber dennoch nicht lumpen lässt, wenn es darum geht, den Part des betroffenen Zeitgenossen zu übernehmen. Selbstverständlich mit der dafür nötigen Portion hysterischen Empörung. Und selbstverständlich immer mit einer gestanzten Meinung zu allem und jedem auf den Lippen, die er ungefragt in die Gegend hinausposaunt, um auf sich aufmerksam zu machen.
Die Gesellschaftsform der Demokratie ist in die Jahre gekommen und hat an Attraktivität und Funktionalität mächtig eingebüßt. Dies liegt einerseits an ihren mittlerweile überalterten, aufgeblähten und verkrusteten Institutionen und Verwaltungsapparaten, die ihren Aufgaben teilweise nur noch ineffizient und verzögert nachkommen. Sei es nun bei solchen Banalitäten wie der Verlängerung eines Passes oder der Beantragung eines Termins beim Standesamt.
Andererseits aber droht die demokratische Staatsform auch am Menschen selbst zu scheitern, der aufgrund seiner Wesensart für die Demokratie einfach nicht gemacht erscheint, wie allenthalben zu beobachten ist: Verantwortung für das Gemeinwohl trägt er nur ungerne. Freiheit auch für die anderen akzeptiert er nur, solange es ihm in den Kram passt und nicht zu eng wird für ihn. Und Brüderlichkeit ist für ihn mittlerweile ein leerer, pseudoreligiöser und antiquierter Begriff, den er wie den der Empathie überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hat. Und die Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind, fällt für ihn angesichts der wachsenden ubiquitären Verachtung der Mitmenschlichkeit ohnehin flach.
Aus all diesen Gründen ist der Durchschnittsdeutsche eher ein Charakter, der mit jeglicher gesellschaftlichen Bewegung oder Veränderung auf Kriegsfuß steht und stattdessen klare, ihn anweisende Direktiven bevorzugt, statt selbst aktiv zu werden. Die Sehnsucht nach früheren Zeiten, so nebulös und verkitscht diese nostalgische Verirrung auch immer sein mag, und sein nervtötendes, nicht enden wollendes Friede-Freude-Eierkuchen-Geplänkel offenbart die tiefsitzende Angst des Deutschen vor jedweder gesellschaftlichen Neuerung.
Aus diesem Grund benötigte das Land dringend eine Politik der profunden und weisen Menschenkenntnis, die die Menschen wachsam zu nehmen und durch eine immer chaotischere Welt zu führen wüsste. Denn es gibt Zeiten, in denen der Mensch – wie beispielsweise gegenwärtig – vor sich selbst geschützt werden muss, damit er nicht vollends durchdreht und schweren Schaden an sich und anderen nimmt. Denn eines muss uns allen klar sein: Der Mensch verändert sich nicht und tritt wesensmäßig seit Äonen auf der Stelle. Und je chaotischer die Zeiten, desto chaotischer droht er sich zu verhalten. Folglich verdiente dieser endlich eine Regierung, die nicht nur um die tiefen Beweggründe des Menschen weiß, sondern darüber hinaus auch ausschließlich von hochprofessionellen, auf ihrem jeweiligen Fachgebiet ausgewiesenen Experten bestünde – herzenskluge, den Menschen liebende Politiker, die fern aller die Köpfe verpestenden Ideologie weit über die nationalen Grenzen hinweg wahre Genies ihrer Zunft darstellten. Eine Weltregierung der Weisen also, wie sie schon Platon in seinem Werk Der Staat (Politeia) vorschwebte. Ein faszinierender Entwurf für eine gerechtere und vernünftigere Weltgesellschaft, und vermutlich die einzige Chance, den Menschen dazu in die Lage zu versetzen, den zukünftigen Herausforderungen tatsächlich standhalten zu können.
Ein wunderbarer Traum zwar, wohl aber nichts anderes als eine schale Illusion. Denn der so notwendige Schulterschluss der gesamten Menschheit wird sich wohl niemals erfüllen. Der Mensch scheint vergessen zu haben, dass er nur mit den anderen gemeinsam auf diesem Globus wird überleben können. Ein grausames, parasuizidales Geschehen: Je größer des Menschen Probleme auf der Erde werden, desto exzessiver zerfleischt sich der Mensch. Ein weltweites Gemetzel! Vielleicht versinnbildlichen diese Ereignisse ja schon diejenigen, die Johannes einst in seinem Buch der Offenbarung prophetisch schilderte. Die wahre Apokalypse, in deren Verlauf nicht die vier Reiter der Eroberung, des Krieges, der Hungersnot und des Todes die menschliche Welt ein für allemal vernichten, sondern der Mensch selbst - von Gott und Welt verlassen.
Apropos: Andersherum wird es nicht funktionieren: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?”, fantasierte Bert Brecht einst. Mehr oder weniger amüsant. Und dennoch das Dilemma auf den Kopf treffend.
Doch heutzutage treiben die Menschen die Politik vor sich her und verlangen vom Staat, sie zu füttern und zu behüten und möglichst unbeschadet durchs Leben zu bringen! Und bitte keine Zumutungen dabei, sonst kracht’s. Soweit sind wir also schon gekommen. Wie es in naher Zukunft aussehen wird, wenn es so weitergeht, kann sich jeder selbst ausmalen – je nach Charakter.
Es hat den Anschein, als bräuchte der Mensch eine evolutionäre Pause.
ENDE TEIL 2