Peter Mussbach
DER SCHREI
Film zum Film
eBook ca. 410 Seiten ISBN 978-3-7375-3772-8 März 2015 4,99 Euro
Peter Mussbach

DER SCHREI

Film zum Film

Schauplatz New York: Zwei Männer – Hacker der eine, Shootingstar der internationalen Klassikszene der andere – schlittern in eine labyrinthische Verschwörung hinein. Der Mann, der ihre Wege zufällig zusammenführt, ist tot. Und hat eine kryptische Botschaft hinterlassen, die beide auf eine Odyssee schickt – bis sie in einem mörderisch gut getarnten Netz zappeln, das Wissenschaftler und die NSA gesponnen haben. Um das Überleben der Menschheit zu sichern. Aber heiligt der Zweck alle Mittel?

Maschinen, die Denkoperationen beherrschen – und Menschen, über deren Dasein diese Maschinen zunehmend gebieten, das ist der Zustand der sogenannten zivilisierten Welt im 21. Jahrhundert.

DER SCHREI erzählt von der Hybris der Wissenschaft, die, unbeschadet aller Segnungen, auch eine neue Büchse der Pandora geöffnet hat – in Form eines Thrillers. Bis hin zur aktuellen Debatte um Neurotechnologie, Cyborg und Quantencomputer, der – im Vergleich zu herkömmlichen Maschinen – schier unvorstellbare Rechenkapazitäten besitzt, und außerdem absolute Sicherheit garantiert, weil er nicht zu hacken ist: Eine perfekte Waffe für die, die nach absoluter Macht streben.

Das Buch greift damit brandheiße Themen der Gegenwart auf.

wissenschaftliche Begleitung zu DER SCHREI
Bewusstsein / I
aus dem Kapitel THE TRUTH

Finis Temporis, von wegen Neuzeit, alles ist dunkel geworden und aus dem Individuum ein nasser Sack mit krankem Bewusstsein. Da will man sich in seiner Not doch noch wenigstens irgendein funktionierendes Bewusstsein kaufen, wenn es denn schon überall von Wirtschaft und Medien angeboten wird. Da wird man doch mal in einen Ratgeber für Unglückliche blicken dürfen, der für jedermann das geeignete bereithält; ein Fitnessbewusstsein bis 120 zum Beispiel. Oder ein Amüsier-dich-zu-Tode-Bewusstsein, um nichts mitzubekommen. Oder ein Halte-durch-du-bist-der-King-Bewusstsein für die Karriereleiter. Oder ein esoterisches Komme-zu-dir-selbst-Bewusstsein. Oder ein Rette-sich-wer-kann-Bewusstsein für Defätisten. Überall ist was dabei auf dem Markt der Bewusstseinsindustrie, die Milliarden scheffelt und sich seine Untertanen per Inserat sucht. Alle Welt kämpft um das Bewusstsein, die Medien, der Cyberspace, die Automobilverkäufer, die Ratgeber und Populisten, die Rechten und die Linken, der Islam und das Christentum. Nur die Banker nicht. Denn die wollen gar keins haben. Das können sie sich in ihrem Job auch nicht leisten.

Das Bewusstsein hängt am Tropf und geht vor die Hunde. Und das Fatale ist, dass es keiner bemerkt. Oder nicht merken will! Denn möglicherweise ist das Gehirn ja bereits in seiner Absterbephase angekommen, wie die Biologen sagen würden. Ein Bewusstsein haben wir zwar seit
50 000 Jahren, aber wer sagt uns, dass wir es in 50 000 Jahren auch noch haben werden?

Das Bewusstsein erstickt am allgemeinen Irrsinn der Reizüberflutung. Von wegen Multitasking! Es verbarrikadiert sich und engt sich immer mehr ein, es ist einfach überfordert. Und seine ohnehin äußerst eingeschränkte Kapazität erlahmt und schrumpft, bevor wir es noch richtig für uns entdecken konnten. Es schmilzt uns förmlich unter der Schädeldecke weg und gerinnt zu formloser Gallerte.

Wienerzeitung: Esoterik - Das Loch im Verständnis der Welt
Dr. Deepak Chopra: Quantenbewusstsein
Süddeutsche: Bewusstseinsforschung - Im Spiegelkabinett

Bewusstsein / II
aus dem Kapitel THE LAB

„Frederik hat recht“, unterbrach Sarah Forster. „Man sollte das Bewusstsein nicht überschätzen. Und man sollte mit ihm spielen, wie es mit uns spielt.“
„Ach so? Wie soll ich das verstehen?“
„Das Bewusstsein ist keine objektive Größe. Es zeigt uns nicht die Welt, wie sie ist. Es zeigt uns die Welt, wie wir sie sehen sollen, damit wir nicht in Panik verfallen und die Orientierung verlieren, sonst wären wir verloren. In diesem Sinne ist es vor allem eine Schutzfunktion, die aber in ihrer offenkundigen Begrenztheit vorsichtig erweitert werden kann. Da sind Schätze zu heben in unseren Köpfen. Und dabei geht es nicht um Manipulation, sondern um die positive Entfaltung zerebraler Kapazitäten.“
„Ist ja interessant! Und wie funktioniert die Erweiterung des Bewusstseins, Sarah, rein praktisch, meine ich“, fragte Patrik und versuchte ihrem Blick standzuhalten.
„Gute Frage! Wollen Sie’s mal ausprobieren?“
„Warum nicht?“
„Ein kleines, harmloses Experiment, Sie werden staunen.“
„Na dann mal los!“
Frederik packte Patrik entsetzt am Arm und riss ihn herum.

Deutschlandradio Kultur: Wissenschaft - Was ist Bewusstsein?
Spektrum: Das Manifest - Was wissen und können Hirnforscher heute?

Bewusstsein / III
aus dem Kapitel THE LAB

Zwischen falschem und richtigem Bewusstsein wissen wir doch gar nicht mehr zu unterscheiden, weil wir in einem einzigen Bewusstseinsbrei stecken. Und der ist noch einfacher zu manipulieren als ein vermeintlich richtiges oder falsches Bewusstsein, denn es hat überhaupt keine Struktur, kein auch wie immer geartetes Gerüst mehr. Und somit ist es zum Schauplatz demagogischer Ranküne und ekelhafter Profitgier geworden. Und die halten es unter permanentem Feuerbeschuss. Denn nur derjenige, der Bewusstsein beherrscht, hat auch Macht.

sein: Mysterium Bewusstsein: Die ungelösten Rätsel des Gehirns
Zeit: Ich-BewusstseinWas ist das Ich?

Zukunft der Menschheit
aus dem Kapitel THE TRUTH

„Uns bleiben im Grunde nur zwei Möglichkeiten, meine Damen und Herren“, begann er völlig überraschend und kam sofort zur Sache. „Entweder gehen wir in einer riesigen, von uns selbst angezettelten Katastrophe unter und die wenigen Überlebenden, die es dann noch gibt, werden als versprengte Horden durch die Pampa irren wie damals vor ca. 100 000 Jahren der Homo sapiens sapiens. Nein, meine Damen und Herren, ich stottere nicht! So haben ihn seine Nachfahren getauft, als glaubten sie nicht so recht an dessen Verstand und wiederholten das Wort sapiens nur, um ihn zu beschwören, doch endlich zur Vernunft zu kommen.

Die zweite Möglichkeit, die wir haben, besteht in der Beantwortung der Frage, ob es uns gelingt, gleichsam im letzten Augenblick, den Kurs der Entwicklung, den der Mensch nimmt, zu ändern und ihn dazu zu befähigen, sich auf diesem Planeten doch noch einzurichten. "Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben", hat mal ein deutscher Philosoph gesagt. Und: "Nur um der Vernunft willen, ist uns Vernunft gegeben", könnte man hinzufügen.

sein: Die Menschheit auf dem Weg zum Super-Organismus
ZEIT: Evolution - Der Mensch ist noch nicht fertig
FAZ: Glosse - Das Ende der Menschheit

Verschränkung
aus dem Kapitel THE TRUTH

Der Zauberschlüssel zum Quantencomputer  war die Quantenverschränkung. Ein derart mysteriöses Phänomen, dass selbst Physiker enorme Schwierigkeiten hatten, sich darunter wirklich etwas vorstellen zu können. Einstein hatte sie eine spukhafte Fernwirkung genannt und einen Riesenbogen um das Phänomen gemacht.

Verschränkung  bedeutete, dass Quanten wie Photonen oder Elektronen sich auf wundersame Weise so inniglich verbinden konnten, dass sie in ihrem Verhalten absolut identisch wurden wie zwei superperfekte Synchronschwimmer: Was der eine machte, machte der andere, absolut synchron, also gleichzeitig. Und das, obwohl die Teilchen tausende von Lichtjahren voneinander entfernt durch den Kosmos schossen. Eine magische Energie ließ sie sich paaren und verlieh ihnen einen völlig identischen Puls. Würfelte das eine Elektron mit drei Würfeln eine 1, 3 und 6, dann hatte das andere im selben Moment dieselben Zahlen geworfen. Aus zwei Elektronen war mit einem Mal ein Elektron zweimal geworden. Eine Art Doppelgänger, der sich exakt so verhielt wie der andere. Patrik erschrak, als er sich plötzlich neben sich sah, weil er sich im Plexiglas der Nasszelle spiegelte.

Der geheimnisumwitterten Allianz hatte der Physiker Erwin Schrödinger 1930 den Namen Verschränkung  gegeben. Patrik war völlig aus dem Häuschen geraten, als er erstmals von ihr erfuhr. Im Zusammenhang mit dem Quantencomputer natürlich. Vor zwei Jahren, als er gerade zu Anonymous gestoßen war und ihm sein Hackerkollege Sabu von LulzSec von der Verschränkung  erzählt hatte. Seit einem halben Jahr etwa hatte er sich wesentlich konkreter mit dem Phänomen auseinandergesetzt, da hatte er die Dateien der IARPA gehackt und in der Folge deren Arbeit am hochgeheimen Quantencomputer ausspioniert.

Verschränkung  – automatisch hatte er Liebe assoziiert, als er das Wort erstmals hörte. Da wurde ja auch aus zweien schnell mal eins, vor allem wenn es blitzte und Hals über Kopf geschah.

Worin dieser mysteriöse Informationsaustausch gründete, war völlig unklar. Die Physik rätselte und forschte mit Hochdruck. Neulich hatte Patrik ein Interview mit Nicolas Gisin gelesen, der mit Kollegen in einem Genfer Labor versucht hatte, die Geschwindigkeit der spukhaften Fernwirkung zu messen. Die Physiker kippten aus dem Sessel, als sie sich über ihre Messergebnisse beugten: 10.000 mal schneller als Licht war die Geschwindigkeit dieses sogenannten Informationsaustauschs. Sie bewegte sich im nicht mehr messbaren Bereich. Die Instrumente versagten. Patrik hatte nur mit dem Kopf geschüttelt. Da floss kein Strom zwischen beiden Teilchen, keine Energie, die tausendmal schneller war als Licht, das sie verschränkte, da war sich Patrik instinktiv sicher. So schnell war keine Information auszutauschen, wenn sie bei beiden Teilchen gleichzeitig ankommen sollte. Gisin hatte Recht, wenn er behauptete, dass jede Theorie, welche die Quantenverschränkung mit einem Übermittlungsmechanismus zu erklären versuchte, selbst wahrhaft spukhaft sei.

Plötzlich kam Patrik der Starenschwarm in den Sinn, den er als Kind mit Robert auf einem ihrer Streifzüge durch die Natur in Maine beobachtet hatte: Tausende Vögel waren da am Himmel herumgeflogen, aber alle wie einer. Jeder Vogel dieser magischen Wolke, die am Himmel permanent ihre wabernde Form veränderte, war in identischer und synchroner Bewegung begriffen, als steuerte sie eine Geisterhand. Patrik war es vorgekommen, als wären es nicht die Vögel, welche die pulsierende Wolke bildeten, sondern vielmehr die Energie der Wolke selbst, die den Schwarm synchron bewegte. Er hatte nicht mehr wegschauen können und war noch Minuten später völlig entgeistert durch die Landschaft gestolpert. Mein Gott, jetzt erinnerte er sich: Robert hatte ihm erklärt, es sei die Verschränkung, die sie da gerade beobachtet hatten. Einen Augenblick habe die Natur ihnen eines ihrer ewigen Rätsel offenbart. „Die Vögel sind verschränkt“, hatte ihm Robert gesagt, er aber kein Wort verstanden und es bald vergessen. Patrik drehte das Wasser so kalt, wie es ging. Er war völlig aufgewühlt. Die Welt der Quanten war wahrlich ein Universum voller fantastischer Rätsel. Am besten gab man alle Vorstellungen aus der bekannten Welt an der Garderobe ab, bevor man sich in dieses Paralleluniversum  vorwagte, in dem sich so unglaubliche Dinge ereigneten.

YouTube: A. Zeilinger - Quantenverschränkung und -kommunikation
NZZ: Physik-Nobelpreis, Herren der Quantenwelt
Spiegel: Mysteriöses Quantenphänomen: Einsteins Spuk ist Tausende ...
Spiegel: Kamera fotografiert mit teleportiertem Licht

Cyborg
aus dem Kapitel THE TRUTH

„In letzter Zeit spür ich ab und zu so ein ekelhaftes Sirren im Schädel. Vor allem dann, wenn mir der Azteke  in den Sinn kommt ... ich muss nur an ihn denken und schon vibriert der Schädel wie unter Strom. So, als kündige sich ein Anfall an, und ich sollte nicht an ihn denken und ihn provozieren.

Dann flimmert es auch einen Moment vor meinen Augen, ziemlich heftig und wirklich unangenehm. Und wenn ich mal zornig werde, ist dieses Sirren auch da und blockiert mich für ein paar Sekunden, als hielte mich jemand fest, damit ich nicht aus der Haut fahre. Ist relativ neu, das Gefühl. Hab’s zunächst nicht so richtig bemerkt, hat aber mit meinen häufigen Kopfschmerzen nicht das Geringste zu tun. Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Keine Ahnung was.“

ZEIT: Technologie - Wir Maschinenwesen
FAZ: Cyborgs Noch Mensch, bald Maschine
ZEIT: Bodyhacking Wie aus Menschen Cyborgs werden
novo-magazin: Der Cyborg als reale Zukunftsvision

Quantencomputer / NSA
aus dem Kapitel THE TRUTH

Patrik schwirrte der Kopf. Fahrig wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, die Kabine war überheizt und die Klimaanlage nicht abzustellen. Verdammt, die hatten einen Quantencomputer im Einsatz. Anders konnte es nicht sein. Warum war er nicht schon früher auf die Idee gekommen? Er schloss die Augen, konzentrierte sich mit aller Energie und sortierte die Gedanken, die auf ihn einströmten: Die Sache mit dem Quantencomputer war heiß. Wirklich heiß. Vor ein paar Monaten hatte es dafür sogar den Nobelpreis gegeben.

Praktisch jeder Geheimdienst der Welt arbeitete fieberhaft an dieser Megamaschine. Denn die brächte den dringlich ersehnten Vorteil, den Cyberwar  endlich für sich entscheiden zu können, und das binnen kurzer Zeit. Die herkömmlichen Computer schossen zwar noch wild durch die Gegend, mit Stuxnet  und Flame  zum Beispiel. Mit dem Quantencomputer aber war der Feind wirklich unsichtbar geworden, als trüge er eine teuflische Tarnkappe. Und der verwandelte die alten Binärkisten im Nu zu jämmerlichen Schrotthaufen und zerfetzte – wenn man denn wollte – die transnationalen Computernetze und ließ globales Chaos losbrechen. Schließlich hing ja alle Welt am Netz – die Geheimdienste, die Militärs, die Finanzmärkte, die Industrie, das öffentliche Leben, die Stromversorgung, die Verkehrssicherheit und die Atomkraftwerke, einfach alles. Mit dem Quantencomputer hätte man im Handumdrehen die Hegemonie über die Welt errungen. Die Welt war ja zum Netz geworden – bis zum Zerreißen gespannt.

Spiegel: Google und Nasa präsentieren Quantencomputer
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Focus: NSA - US-Monsterrechner droht, die Welt ins Chaos zu stürzen
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Teleportation/ Exoplanet/ Supererde
aus dem Kapitel LA LIBERTÉ

„Sie haben den Punkt getroffen Mrs Craft, es gibt nur diese zwei Möglichkeiten. Entweder wir reißen das Steuer herum und kriegen die Dinge wieder in den Griff oder wir müssen weg, zu einem anderen Planeten, so einfach ist das. Stephen Hawking gibt uns noch 200 Jahre. Bis dahin sollten wir die notwendigen Technologien entwickelt haben, um für den Ernstfall gerüstet zu sein.“

„An dieser Technologie wird schon gearbeitet, Mr Sueton?“

„Davon können Sie ausgehen! Alles andere wäre fahrlässig, denn die Zukunft des Menschen liegt im Weltraum. Das sich rasant beschleunigende Wachstum der Weltbevölkerung, die begrenzten und zur Neige gehenden Ressourcen, die Wasserknappheit und nicht zuletzt der Klimawandel werden für uns alle zur Bedrohung. Und es wird schwierig, das Überleben des Superorganismus Mensch die nächsten hundert Jahre sicherzustellen, geschweige denn die nächsten tausend, da hat Hawking völlig recht.“

„Muss man so pessimistisch sein?“
„Was heißt pessimistisch, im Augenblick sieht es doch nicht gerade rosig aus auf unserem Planeten!"

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